Nachlasspflegschaft

Ein Nachlasspfleger ist … 
…der gesetzliche Vertreter der unbekannten Erben.

Eine Nachlasspflegschaft (§ 1960 BGB) ist eine Maßnahme zur Sicherung des Nachlasses. Sie wird vom Nachlassgericht angeordnet, wenn bis zur Annahme der Erbschaft oder bis zur Ermittlung eines unbekannten Erben die Gefahr besteht, dass der Nachlass Schaden nimmt bzw. Unberechtigte auf den Nachlass zugreifen. Eine Nachlasspflegschaft kann auch durch einen Nachlassgläubiger beantragt werden. In der Praxis kommt es z. B. oft vor, dass ein Vermieter einen Antrag stellt, da er ansonsten keine Befugnis hat, die Wohnung eines Erblassers zu betreten, räumen zu lassen oder neu zu vermieten.

 

Ablauf einer Nachlasspflegschaft

Eine Nachlasspflegschaft kann man sich wie ein Puzzle vorstellen, bei dem man nach und nach einzelne Puzzlestücke findet, die zum Schluss ein Gesamtbild ergeben. Das ist eine große Herausforderung. 

Jede Nachlasspflegschaft ist individuell und somit sind auch unterschiedliche Herangehensweisen erforderlich. 

Damit Sie sich vorstellen können, wie eine Nachlasspflegschaft im Groben abläuft, habe ich diese in einfachen Verläufen dargestellt. 

Eine Nachlasspflegschaft wird durch das Nachlassgericht angeordnet. Dabei hat der Nachlasspfleger für jede neue Nachlasspflegschaft einen Verpflichtungstermin beim Nachlassgericht. Der Nachlasspfleger bekommt eine Bestellungsurkunde, aus dem auch die Aufgabenbereiche hervorgehen. Übliche Aufgaben sind „Sicherung und Verwaltung des Nachlasses“ und „Erbenermittlung“. Dabei wird auch festgelegt, wann der Erstbericht mit dem Nachlassverzeichnis vorzulegen ist und wann die jährliche Rechnungslegung erfolgen muss. 

Häufig ist es so, dass der Erblasser schon lange Zeit verstorben ist, bevor ein Nachlasspfleger bestellt wird. Oft gibt es niemanden, der einen mit Informationen versorgen kann. Es kommt vor, dass man lediglich eine Sterbeurkunde erhält, die Mitteilung, wer die Nachlasspflegschaft beantragt hat und die Information, dass bei der Recherche des Nachlassgerichtes keine Erben gefunden wurden.

Eine Nachlasspflegschaft ist individuell. Am Anfang weiß man nie, was einen erwartet und genauso vielfältig sind die Aufgaben und Anforderungen, die auf einen zukommen. 

Man kann sich eine Nachlasspflegschaft wie ein Puzzle vorstellen. Um die einzelnen Puzzleteile zu finden, ist „Detektivarbeit“ erforderlich. 

1. Nachlasssicherung

Die wichtigste Aufgabe eines Nachlasspflegers (NLP) ist es, den Nachlass zu sichern. Dafür ist es zunächst erforderlich, diesen in vollständigem Umfang zu erfassen. Dazu zählt z. B. 

 * Sicherung Wohnung / Haus 

Zunächst einmal muss recherchiert werden, wer einen Schlüssel zur Wohnung/ Haus besitzt. Der NLP hat das Bestreben, die Sicherung der Wohnung/ des Hauses umgehend vorzunehmen. Nur in dem Fall, dass kein Schlüssel gefunden wird, ist die Öffnung der Tür durch einen Schlüsseldienst erforderlich. Nach Betreten der Wohnung/ Haus wird das Schloss ausgetauscht, um zu verhindern, damit eine unberechtigte Person dort hinein kann. 

Man weiß nie, was einen in der Wohnung / dem Haus erwartet. Ist dort noch ein Haustier? Wasseranschlüsse und Stromanschlüsse werden entkoppelt und es wird nach ersichtlichen Schäden geschaut, die ein sofortiges Handeln erfordern. Werden Waffen gefunden, wird die Polizei oder Waffenbehörde zur Sicherstellung informiert.

Nun wird nach hilfreichen Unterlagen geschaut, die Informationen für die Nachlasspflege geben, wie z. B. Ordner, Versicherungen, Bankunterlagen, Sparbücher, Notizen, alles, was hilfreich ist. Dazu zählt auch der digitale Nachlass. 

Gleichzeitig wird auch geschaut, ob verwertbare Gegenstände vorhanden sind wie z. B. Schmuck, Wertgegenstände, Bargeld… Diese werden sichergestellt. 

Oft sind noch ein Keller, Dachboden oder Garage vorhanden. Dort steht evtl. auch noch ein Auto, Mofa, Fahrrad, Motorrad…. Auch das wird sichergestellt.

Der Zustand der vorgefundenen Wohnung / Haus wird in einem Begehungsprotokoll erfasst sowie die sichergestellten Gegenstände aufgeführt. 

Zudem werden Fotos von der Wohnung und den Wertgegenständen gemacht.

2. Übersicht verschaffen

Die gesicherten Unterlagen werden nun durchgeschaut und wertvolle Informationen daraus gefiltert.

Dazu gehören z. B. Bankverbindungen, Hinweis auf Wertpapiere oder Sparbücher, Versicherungen, Schulden, abgeschlossene Verträge… Sollte ein Testament auftauchen, so ist dies direkt an das Amtsgericht weiterzuleiten.

Wenn alle notwendigen Informationen vorliegen, wird das Amtsgericht darüber in Form eines Erstberichtes und einem Nachlassverzeichnis informiert. Das Nachlassverzeichnis soll zum Stichtag des Todesdatums erfolgen. 

3. Nachlassabwicklung

Es wird hinterfragt, wie der Erblasser verstorben ist. Wer hat die Bestattung übernommen? Ist die Grabpflege geregelt? Gibt es Freunde oder Angehörige?

Alle Vertragspartner und Kontakte werden angeschrieben und über den Tod und die Einrichtung einer Nachlasspflegschaft informiert. Bei den Banken werden alle Lastschriftaufträge und Daueraufträge gekündigt. Wurde das Konto bereits von der Bank aus gekündigt oder ist es stark überzogen, so eröffnet der NLP ein Nachlasskonto (Treuhandkonto) für den Erblasser. 

Nicht mehr erforderliche Verträge wie Telefon, Haftpflicht, GEZ, Abos, Handy… werden ebenfalls gekündigt. Es wird ein Postnachsendeantrag gestellt. 

Alle Gläubiger werden kontaktiert und informiert und in einer Gläubigerliste aufgenommen. Gibt es Darlehensverträge? 

Bei einer Wohnung wird zunächst der Mietvertrag überprüft, die Kündigung der Wohnung vorgenommen und die Wohnung durch eine Räumungsfirma geräumt (wenn dafür finanzielle Mittel zur Verfügung stehen). Anschließend kann auch die Hausratversicherung gekündigt werden. Gibt es Mietrückstände oder Forderungen aus Nebenkostenabrechnungen? Wurde eine Kaution hinterlegt?

Bei einem Haus wird zunächst überprüft, ob es ausreichend versichert ist. Der Grundbuchauszug wird angefordert. Ist der Hausverkauf aus finanziellen Gründen nicht erforderlich und können die laufenden Kosten getragen werden, wird es nicht verkauft. 

Es muss dann regelmäßig danach geschaut werden, besonders im Winter (Wintersicherung der Wasserleitungen….). Ein Räum- oder Streudienst ist erforderlich oder z.B. jemand, der regelmäßig den Rasen mäht… 

Wenn der Verkauf des Hauses erforderlich ist, wird ein Gutachten in Auftrag gegeben, um den Wert zu ermitteln. 

Anschließend wird ein Makler mit dem Verkauf beauftragt. Bei einem Hausverkauf ist die nachlassgerichtliche Genehmigung erforderlich.

War der Erblasser zuletzt in einer Einrichtung, so muss auch hier eine Abwicklung stattfinden. Hat er noch persönliche Gegenstände in der Einrichtung? Bestehen offene Heimkosten? Ist noch ein Guthaben auf dem Taschengeldkonto?

Für Schmuck, Münzen, Kunst, Wertgegenstände wird eine Wertermittlung vorgenommen und dann verkauft. Wenn kein finanzieller Druck vorhanden ist und man davon ausgeht, dass eine Erbenermittlung erfolgen wird, so können diese Gegenstände auch für den unbekannten Erben gesichert werden, wenn man vermutet, dass diese einen persönlichen Wert darstellen könnten (z. B. in einem Bankschließfach).

Auch Autos, Mofa… werden verkauft. Alle Verkaufserlöse werden auf dem Nachlasskonto verbucht.

War der Erblasser noch Arbeitnehmer? Dann muss der Arbeitgeber informiert werden. Hier wird der letzte Lohnauszug angefordert. Sind dort noch persönliche Gegenstände vom Erblasser am Arbeitsplatz? Gibt es noch Überstunden oder Urlaubstage, bei denen ein Anspruch auf Auszahlung besteht?

War der Erblasser selbstständig? Hier muss evtl. ein Unternehmen weitergeführt werden bzw. eine Entscheidung getroffen werden. War er privat versichert? Wurden alle Rechnungen zur Rückerstattung bei der Krankenversicherung eingereicht?

Müssen noch Steuererklärungen abgegeben werden (Lohnsteuererklärung, Umsatzsteuererklärung, Erbschaftssteuererklärung….)?

Über viele Wege wird recherchiert, um ein Gesamtbild zu erhalten. Dazu zählt  z. B. die Anfrage bei der Krankenkasse, Rentenversicherung, Schufa, Sozialhilfeträger, ehemalige Betreuer….

Für all diese Aufgaben und Tätigkeiten ist es wichtig, ein gutes Netzwerk zu haben.  Dazu gehören Rechtsanwälte, Haushaltsauflöser, Handwerker, Gutachter, Immobilienmakler, Wertermittler, …

Stellt sich nach Vorliegen aller Fakten heraus, dass der Nachlass überschuldet ist, wird beim Nachlassgericht die Aufhebung der Nachlasspflegschaft beantragt. Hier kann dann auch keine Gläubigerbefriedigung stattfinden.

4. Erbenermittlung

Ist Vermögen vorhanden, wird versucht, Werte für die unbekannten Erben zu sichern und zu erhalten. 

Der NLP beginnt dann mit der Erbenermittlung. Durch Recherche wird hier in allen Richtungen ermittelt. 

Kommt der NLP an seine Grenze, weil mögliche Erben im Ausland sind, kann er einen Erbenermittler einschalten. Erbenermittlung im Ausland ist nicht nur wegen der Sprachbarriere schwierig, sondern auch, weil dort dann auch andere Gesetze vorliegen. 

5. Beendigung der Nachlasspflegschaft

Wurden Erben ermittelt, so wird das Erbe bzw. Testament übergeben und das Nachlassgericht hebt die Nachlasspflegschaft auf. 

Der NLP ist zur jährlichen Berichterstattung und Rechnungslegung verpflichtet sowie auch bei Aufhebung einer Nachlasspflegschaft zur Abschlussrechnungslegung.

Wurde trotz großer Bemühungen kein Erbe gefunden, kann das Erbe entweder hinterlegt werden oder das Fiskus-Erbrecht wird angewendet (Staat erbt).